Ursula Radermacher                                                       sprachräume

Wieder holen - die Wiederholung

Wiederholung in der Kunst ist ein Simulieren von Ewigkeit, ein Versuch, den natürlichen Lauf der Zeit aufzuhalten. Für Künstler liegt der Wert der Wiederholung in den Variationsmöglichkeiten, bereits Gestaltetes noch einmal, durch Differenzierung in Material, Farbe oder Größe zu erleben. Das Wechselspiel von Wiederholung und Differenz macht das Wiederholungserlebnis lebendig. Fehlt die Differenz, kann Wiederholung abstumpfen, langweilen im Sinne von ermüden.

Der Einmaligkeit des Schaffensprozesses eines Werkes steht die wiederholte Rezeption, Aufnahmeerfahrung des Betrachters gegenüber. Kunst ist in der Außenwahrnehmung auf Wiederholung angelegt. Ihre Vielschichtigkeit lässt sich in der Regel erst durch die wiederholte Wahrnehmung erfassen.
Die Wiederholung kann Ruhe einkehren lassen. Der erste, schnelle Check, die Frage "was ist das" erübrigt sich. Schon mal gesehen, kann man sich tiefer überlassen, dem nun Vertrauten anheim geben, sich etwas wieder holen: Erinnerung.
Mit der Wiederholung kann ein tieferes Eintauchen einhergehen, eine Aneignung im positiven Sinne und Annäherung an Ursprüngliches. Das Aufsteigen von "da war etwas", man erinnert sich nicht ganz genau. Das ist Erinnerung, die durch das Vergessen gegangen ist und verwandelt wieder erscheint.

Wiederholen ist Erinnern, kreist um Vergessen, entsteht aus Sehnsucht, ist Warten auf Wiederkehr.
Und doch ist eine echte Wiederholung nicht möglich, es ist jedes Mal wieder anders, wenn das Objekt der Wiederholung erneut in den Blick gerät. "Das einzige, was sich wiederholte, war die Unmöglichkeit einer Wiederholung" (Sören Kierkegaard)

(Auszug aus: Ursula Radermacher, "wieder holen - die Wiederholung", Katalogtext zur Ausstellung im KunstRaum Hüll 2007)

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